Brüssel lehnt Mikrochips mit Jubel ab

Drei Tage waren die Schülerinnen und Schüler des Religion-PGW und Englisch-PGW Profils in Brüssel auf Exkursion unterwegs, um die vielfältige Stadt zu entdecken.

Neben dem Besuch des EU-Parlaments konnten wir am ersten Tag an einem Planspiel im Parlamentarium (dem Besucherzentrum des europäischen Parlaments) teilnehmen. Wir konnten uns dabei in die Rolle von Abgeordneten in dem europäischen Gesetzgebungsprozess hineinversetzen. Das Planspiel fand in einem nachgestellten Parlament statt, jeder Teilnehmer erhielt zur Durchführung des Spielprozesses ein Handy.

Bevor ein Gesetz im wirklichen politischen Leben verabschiedet werden kann, muss es einen langen Weg durch alle drei EU-Institutionen durchlaufen. Hierzu gehören die Europäische Kommission (jedes Mitgliedsland entsendet einen Kommissar), der Europäische Rat (Zusammenschluss aller Staats- und Regierungschefs bzw. zuständiger Minister bestimmter Bereiche) sowie das Europäische Parlament (die von den EU-Bürgern gewählten Abgeordnete). Den Vorschlag für ein neues Gesetz bringt dabei die EU-Kommission ein, sie hat das alleinige Initiativrecht.

So begann unser Planspiel in dem Plenum des Parlamentes. Zwei virtuelle Kommissare stellten uns ihre beiden neuen Gesetzesentwürfe zur gerechteren Verteilung von Wasser und zur Implantierung von Mikrochips vor. Die Abgeordneten im europäischen Parlament schließen sich zu verschiedenen Fraktionen zusammen um ihre Interessen besser durchsetzen zu können. Während es im EU-Parlament tatsächlich 8 Fraktionen gibt, wurden wir für das Planspiel lediglich vier Fraktionen zugeteilt. In diesen Fraktionen diskutierten wir nun über die Gesetzentwürfe und welches Interesse unsere Fraktion dabei verfolgen sollte. Jeder „Abgeordnete“ ordnete sich einem der beiden Themen zu und wurde durch Expertengespräche, zusätzliches Informationsmaterial, Kontakt mit Wählerinnen und Wählern sowie Lobbyisten zu einem Spezialisten für die neue „Wassersolidaritätsrichtlinie“ bzw. die „Mikrochipimplantat-Richtlinie“.

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Während der ersten Arbeitsphase wurde die Diskussion durch eine Fernsehdebatte der Fraktionsführer auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Fraktionen im Parlament suchen sich interessensbezogen mögliche Koalitionspartner und finden sich in Ausschüssen zu diesen bestimmten Themen zusammen. Das EU-Parlament ist ein Arbeitsparlament, deswegen findet in den Ausschüssen auch die Hauptarbeit statt. Die Abgeordneten diskutieren in den Ausschüssen den Gesetzesentwurf und nehmen ggf. Änderungen an diesem vor. Nun finden sich alle zur 1. Lesung erneut im Plenum zusammen und stimmen, nach kurzen Redebeiträgen der jeweiligen Vorsitzenden, über die abgeänderten Entwürfe ab. Hierbei entscheidet sich wie gut Kompromisse zwischen den Fraktionen erzielt werden konnten. Der Entwurf zur „Wassersolidaritätslinie“ wurde von „unserem“ Parlament abgelehnt, der zur „Mikrochipimplantat-Richtlinie“ wurde angenommen. Wird die vorgeschlagen Änderung durch die Abgeordneten angenommen, gehen diese weiter in den Rat der Europäischen Union. Dieser muss dem Gesetz genauso zustimmen wie das Parlament. Stimmen die Abgeordneten jedoch gegen die Annahme der Änderungsvorschläge, so gehen diese in die 2. Lesung des Parlamentes. Da der Rat in unserem Planspiel auch den angenommenen Gesetzentwurf abänderte, beschäftigten sich die beiden Ausschüsse erneut mit dem Entwurf. Neben der Kompromisssuche unter den Abgeordneten galt es nun sich auch mit dem Rat abzustimmen, damit dem Gesetz am Ende beide Institutionen zustimmen konnten.

In der finalen Abstimmung entschied sich das Parlament für die Annahme der Wassersolidaritätsrichtlinie und zur großen Überraschung und Freude der kleinen Parteien, welche sich gegen die Mikrochipimplantate ausgesprochen hatten, kam es zur Ablehnung der Gesetzesvorlage zur dieser Implantierung von Mikrochips. Das Planspiel im Parlamentarium hat uns prägende Einblicke in die Arbeit der Abgeordneten im Europäischen Parlament gegeben. Es ist nicht leicht als Abgeordneter den Kompromiss mit den anderen Abgeordneten zu finden, aber auch beim Vertreten der eigenen Interessen die Meinung von Bürgern sowie Lobbyisten zu berücksichtigen.

Neben dem Planspiel im Parlamentarium haben wir auch die beiden anderen Institutionen, den Europäischen Rat und die Europäische Kommission, besucht. Überdies haben wir zwei Gesprächen mit Abgeordneten des EU-Parlamentes geführt. Wir konnten uns mit einer Mitarbeiterin der Kulturabteilung der EU-Kommission unterhalten und einen Lobbyisten von Airbus befragen. Spannend waren darüber hinaus der Besuch des strategischen Hauptquartiers der Nato SHAPE in Mons sowie das Expertengespräch mit der Kommission der Europäischen Bischöfe COMECE.

In einer spannenden und programmreichen Woche haben wir die Möglichkeit erhalten, in das Geflecht der europäischen Politik hineinzuschnuppern und ganz nebenbei bei Waffeln, Pommes und Kirschbier die kulinarischen Genüsse Brüssels zu entdecken.

J. Schneider, S. II