Böse Geister

9807Am 05.06.2015 gastierte das Jugendtheater-Projekt TheaterTotal, bei dem auch unser ehemaliger Schüler Fabian Welle mitwirkt, in Hamburg. Um 19 Uhr spielte die Gruppe Das Stück „Böse Geister“ von Fjodor Dostojewskij im Rudolf Steiner Haus am Mittelweg.
Gefördert durch das „Kulturforum 21“ des Katholischen Schulverbandes haben im Vorfeld der Aufführung zwei Mitglieder des Ensembles von TheaterTotal dem DSP Kurs des Englisch Profils im zweiten Semester im Rahmen eines Workshops Einblicke in die praktische Theater- und Probenarbeit gegeben.

Keine Wegspur, nichts zu sehen,

 

wissen wir noch, wo wir sind?

 

Böse Geister, scheint es drehen

 

uns im Kreis, im Wirbelwind

 

(A. S. Puschkin)

 

 

 

In DostojBoese_Geister_Motiv_Webewskijs Roman aus dem Jahr 1871 verarbeitet er die 10

vorangegangenen Jahre – in denen unter anderem die Leibeigenschaft der

Bauern abgeschafft wurde, in St. Petersburg die Studentenunruhen blutig beendet wurden und eine ganze Generation junger Menschen dem Zaren den Rücken zudreht und dem Nihilismus in die Falle geht.

Nikolaj Stawrogin findet sich im Dorf seiner Mutter wieder, wo alles seit Jahren

den gleichen Mustern folgt. Intrige, Neid, Angst und Obsession. Die Bösen

Geister des Ortes haben sich breitgemacht. Nikolaj taucht tief in das Leben des Landadels ein. Er ist süchtig nach Selbsterfahrung. Das schale Gefühl bekommt er dabei jedoch nicht los. Warum bin ich hier? Was ist mein Ziel? Wofür lohnt

es sich zu kämpfen? All diese Fragen scheinen sich ihm nicht mehr zu stellen.

Als eine terroristische Gruppe ihn als Gallionsfigur gewinnen will, fangen die

Ereignisse an, sich zu überschlagen. Am Ende stehen ein abgebrannter Stadtteil, eine Handvoll Tote und ein großes Gefühl der Reue.

Der im damaligen Russland aufkommende Nihilismus bildete den Grund, auf

dem die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts gedeihen konnten.

Dostojewskij will uns die Sinne für die Zeit des Übergangs schärfen und zeigt

auf, wozu moralische Gleichgültigkeit führen kann. Und so gilt es auch für uns

genauer hinzusehen, wer heute unsere Meinung beeinflusst. Wir unterliegen

den gleichen Versuchungen und Gefahren und teilen die gleiche

Verantwortung, wie die Figuren Dostojewskijs. Ob Pegida oder „je suis

Charlie“, es gilt zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden – sonst

laufen wir Gefahr, nicht mehr als Material für die Pläne anderer zu sein.

Es sind die drängenden politischen Fragen nach Verantwortung und der Wahl

der Mittel, aber noch mehr die Menschen und deren alltägliche Komik wie

Tragik, die Dostojewskij so groß machen. In unserer unlösbar komplizierten

Welt der Kleinkriege und des Terrorismus ist Dostojewskij der Scheinwerfer, der

einen scharfen Schatten zeichnet. Und trotz düsterer Atmosphäre funkelt es vor

humoristischen Einlagen und temperamentvollen Dialogen.

In stimmungsvollen Bildern taucht das junge Ensemble von TheaterTotal in Dostojewskijs Welt ein, die die Gesellschaft von heute spiegelt. Verwoben mit Musik und choreografischen Elementen fächert sich die Vielschichtigkeit des Dramas langsam auf, während die Handlung unnachgiebig vorangetrieben

wird.

Bei TheaterTotal finden sich jedes Jahr um die 30 junge Menschen aus ganz

Deutschland zusammen, um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten und sich auf einer ganzen Bandbreite kreativer Berufe auszuprobieren. Schauspiel, Tanz, Tai-

Chi und Akrobatikunterricht gehören genauso zum Alltag, wie die Zubereitung eines täglichen Mittagessens für 30 Personen und die Organisation einer

dreimonatigen Tournee durch Deutschland und die Schweiz. Gemeinsam mit

professionellen Künstlern wird eine Inszenierung entwickelt, die dann von April

bis Juli auf der Tournee gespielt wird.